Themenforum Flucht und Vertreibung
Zielsetzung und Inhalte des Themenforums
Bild: Handwagen mit Kisten und anderem Gepäck aus dem Sudetenland, Heimatmuseum Spangenberg, Photo: picture alliance/akg-images/Fotograph: Peter Seidel „Flucht und Vertreibung“ ist ein Begriffspaar, das im Kontext deutscher Geschichte den Prozess der Jahre von ca. 1944 bis 1946 bezeichnet, als ungefähr zwölf Millionen Deutsche ihre angestammte Heimat Richtung Westen zwangsweise verlassen mussten – auf der Flucht vor der Sowjetarmee während des Kriegsgeschehens oder in Folge des auf den Vereinbarungen der Potsdamer Konferenz 1945 gründenden Beschlusses der Alliierten, die Deutschen aus den östlichen Reichsprovinzen Schlesien, Pommern und Ostpreußen sowie den deutschen Siedlungsgebieten in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn „in ordnungsgemäßer und humaner Weise“ in das verbleibende Staatsgebiet „zu überführen“. Die Karte Europas wurde neu geschrieben, die fortan ehemaligen deutschen Ostgebiete Polen und der Sowjetunion zugeschlagen.
Die Betroffenen „bezahlten“ – stärker als die Deutschen, die dieses Los nicht teilen mussten – für die barbarische und erbarmungslose Gewaltpolitik des NS-Staates, der auf der Suche nach „Lebensraum im Osten“ den Zweiten Weltkrieg entfesselt, in einer historisch beispiellos menschenverachtenden Weise Millionen Menschen unterjocht, vertrieben oder ermordet und in einem System von Konzentrations- und Vernichtungslagern den Holocaust ins Werk gesetzt hatte.
Die Vertriebenen hatten damit nicht nur mit dem Verlust der Heimat und häufig auch bestürzenden Gewalterfahrungen umzugehen – mindestens 600.000 Menschen – nach anderen Schätzungen deutlich mehr – überlebten Flucht bzw. Vertreibung nicht; Traumata, die durch diese Erfahrungen ausgelöst wurden, besonders auch bei Frauen und Kindern, wirken teilweise noch heute, manchmal bis in die Enkelgeneration nach.
Die Integration der Geflüchteten und Vertriebenen in Deutschland verlief häufig sehr schwierig, vor allem auch, weil die Aufnahmegesellschaft sich in der Not der Nachkriegsjahre zusätzlich hohen Belastungen ausgesetzt sah und ihnen skeptisch und oftmals sogar regelrecht feindselig begegnete.
Die historische „Aufarbeitung“ bzw. eine nüchterne Einordnung von Flucht und Vertreibung gestaltet sich auch heute noch, 75 Jahre nach den historischen Ereignissen, nicht immer leicht. Diese Geschichte zu reflektieren, heißt von Entbehrungen, Verlusten und großem Leid zu erzählen, von unschuldigen Opfern, aber auch von Beispielen überzeugter Nationalsozialisten, Hitler-Anhängern und brutaler Täter, die sich, weil auch sie zu den Vertriebenen zählten, als Opfer gerierten und sich weigerten, ihre Schuld und in deutschem Namen begangene Verbrechen anzuerkennen.
Im Unterschied zur nur sehr verzögert und schleppend beginnenden Wiedergutmachung für die Opfer des Holocaust bemühte sich der deutsche Nachkriegsstaat bei den Vertriebenen schneller und umfassender um Kompensation.
75 Jahre nach dem Potsdamer Abkommen kann konstatiert werden, dass die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen eine Erfolgsgeschichte geworden ist. Die meisten Menschen haben sich über die Jahrzehnte gut in ihrem neuen Leben zurechtgefunden. Letztlich stammt jede vierte Bundesbürgerin und jeder vierte Bundesbürger aus einer Familie, in denen Angehörige von Flucht und Vertreibung betroffen waren. Für viele vor allem jüngere Menschen spielt dieser Teil der Familiengeschichte heute allerdings keine Rolle mehr, zumindest solange, bis sie in irgendeiner Weise damit persönlich in Berührung kommen.
Ein solcher Anstoß zur Erinnerung war für viele das Jahr 2015 – als in Europa mehr als eine Million Flüchtlinge aus den Bürgerkriegsländern Syrien, Irak, Afghanistan und anderen Ländern ankamen. Die ikonischen Bilder heutiger Fluchten – Boote, Karren, Menschentrecks – sind die gleichen wie damals, auch wenn sich die politischen Gründe und gesellschaftlichen Umstände nur schwer miteinander vergleichen lassen. Doch Flucht, das hat Andreas Kossert in seinem 2020 erschienenen, gleichnamigen Buch verdeutlicht, ist ein Menschheitsschicksal, das nicht nur die Deutschen im 20. Jahrhundert erfahren haben.
Mit diesem Themenportal „Flucht und Vertreibung“, das die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit in Kooperation mit der Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, Sylvia Stierstorfer, MdL, herausgibt, soll diese Diskussion neu belebt werden und es sollen vor allem alle Generationen angeregt werden, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Renommierte Historikerinnen und Historiker bieten fachliche Grundlageninformationen, aber auch nachdenklich stimmende Denkanstöße zu diesem sehr schmerzvollen Teil der deutschen Geschichte. Grundlegende neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu publizieren oder eine umfassende Debatte abzubilden, kann und will diese Veröffentlichung hingegen nicht leisten.
Wir laden Sie ein, sich an der Diskussion zu beteiligen – schreiben Sie uns gerne unter folgender E-Mail-Adresse: landeszentrale@blz.bayern.de, Stichwort: Themenforum Flucht und Vertreibung.
In regelmäßigen Abständen werden weitere Texte in diesem Forum veröffentlicht. Im Frühjahr 2021 wird dann ein gleichnamiges Themenheft erscheinen, begleitet von Webtalks.
Die Redaktion
Die Betroffenen „bezahlten“ – stärker als die Deutschen, die dieses Los nicht teilen mussten – für die barbarische und erbarmungslose Gewaltpolitik des NS-Staates, der auf der Suche nach „Lebensraum im Osten“ den Zweiten Weltkrieg entfesselt, in einer historisch beispiellos menschenverachtenden Weise Millionen Menschen unterjocht, vertrieben oder ermordet und in einem System von Konzentrations- und Vernichtungslagern den Holocaust ins Werk gesetzt hatte.
Die Vertriebenen hatten damit nicht nur mit dem Verlust der Heimat und häufig auch bestürzenden Gewalterfahrungen umzugehen – mindestens 600.000 Menschen – nach anderen Schätzungen deutlich mehr – überlebten Flucht bzw. Vertreibung nicht; Traumata, die durch diese Erfahrungen ausgelöst wurden, besonders auch bei Frauen und Kindern, wirken teilweise noch heute, manchmal bis in die Enkelgeneration nach.
Die Integration der Geflüchteten und Vertriebenen in Deutschland verlief häufig sehr schwierig, vor allem auch, weil die Aufnahmegesellschaft sich in der Not der Nachkriegsjahre zusätzlich hohen Belastungen ausgesetzt sah und ihnen skeptisch und oftmals sogar regelrecht feindselig begegnete.
Die historische „Aufarbeitung“ bzw. eine nüchterne Einordnung von Flucht und Vertreibung gestaltet sich auch heute noch, 75 Jahre nach den historischen Ereignissen, nicht immer leicht. Diese Geschichte zu reflektieren, heißt von Entbehrungen, Verlusten und großem Leid zu erzählen, von unschuldigen Opfern, aber auch von Beispielen überzeugter Nationalsozialisten, Hitler-Anhängern und brutaler Täter, die sich, weil auch sie zu den Vertriebenen zählten, als Opfer gerierten und sich weigerten, ihre Schuld und in deutschem Namen begangene Verbrechen anzuerkennen.
Im Unterschied zur nur sehr verzögert und schleppend beginnenden Wiedergutmachung für die Opfer des Holocaust bemühte sich der deutsche Nachkriegsstaat bei den Vertriebenen schneller und umfassender um Kompensation.
75 Jahre nach dem Potsdamer Abkommen kann konstatiert werden, dass die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen eine Erfolgsgeschichte geworden ist. Die meisten Menschen haben sich über die Jahrzehnte gut in ihrem neuen Leben zurechtgefunden. Letztlich stammt jede vierte Bundesbürgerin und jeder vierte Bundesbürger aus einer Familie, in denen Angehörige von Flucht und Vertreibung betroffen waren. Für viele vor allem jüngere Menschen spielt dieser Teil der Familiengeschichte heute allerdings keine Rolle mehr, zumindest solange, bis sie in irgendeiner Weise damit persönlich in Berührung kommen.
Ein solcher Anstoß zur Erinnerung war für viele das Jahr 2015 – als in Europa mehr als eine Million Flüchtlinge aus den Bürgerkriegsländern Syrien, Irak, Afghanistan und anderen Ländern ankamen. Die ikonischen Bilder heutiger Fluchten – Boote, Karren, Menschentrecks – sind die gleichen wie damals, auch wenn sich die politischen Gründe und gesellschaftlichen Umstände nur schwer miteinander vergleichen lassen. Doch Flucht, das hat Andreas Kossert in seinem 2020 erschienenen, gleichnamigen Buch verdeutlicht, ist ein Menschheitsschicksal, das nicht nur die Deutschen im 20. Jahrhundert erfahren haben.
Mit diesem Themenportal „Flucht und Vertreibung“, das die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit in Kooperation mit der Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, Sylvia Stierstorfer, MdL, herausgibt, soll diese Diskussion neu belebt werden und es sollen vor allem alle Generationen angeregt werden, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Renommierte Historikerinnen und Historiker bieten fachliche Grundlageninformationen, aber auch nachdenklich stimmende Denkanstöße zu diesem sehr schmerzvollen Teil der deutschen Geschichte. Grundlegende neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu publizieren oder eine umfassende Debatte abzubilden, kann und will diese Veröffentlichung hingegen nicht leisten.
Wir laden Sie ein, sich an der Diskussion zu beteiligen – schreiben Sie uns gerne unter folgender E-Mail-Adresse: landeszentrale@blz.bayern.de, Stichwort: Themenforum Flucht und Vertreibung.
In regelmäßigen Abständen werden weitere Texte in diesem Forum veröffentlicht. Im Frühjahr 2021 wird dann ein gleichnamiges Themenheft erscheinen, begleitet von Webtalks.
Die Redaktion