Themenforum Oberwiesenfeld

Dr. Hildegard Kronawitter

Ein Interview mit der Ersten Vorsitzenden der Weiße-Rose-Stiftung Hildegard Kronawitter 

Bild: Dr. Hildegard Kronawitter

Foto:  Süddeutsche Zeitung Photo/Fotograf: Robert Haas

„In München sollte ein ziviles Fest gefeiert werden, mit Freude, mit Kunst und natürlich mit Sport“
 
Hildegard Kronawitter wurde 1946 in der Gemeinde Saldenburg in Niederbayern geboren. 
Von 1973 bis 1977 studierte sie Volks- und Betriebswirtschaftslehre in München, 1987 promoviert sie an der Ludwig-Maximilians-Universität München in Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Während der Oberbürgermeisterzeit ihres Ehemanns Georg Kronawitter, die kurz vor den Olympischen Spielen in München begann, übernahm sie zahlreiche soziale Aufgaben, beispielsweise beim BRK-Kreisverband München oder bei der Katholischen Akademie in Bayern. Hildegard Kronawitter ist Mitglied des Kuratoriums der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie stellvertretende Vorsitzende des Sankt Michaelbunds. Seit 2009 ist sie Vorsitzende der Weiße-Rose-Stiftung, deren Aufgabe es ist, an den Widerstand der Weißen Rose gegen den Nationalsozialismus zu erinnern sowie Zivilcourage und demokratisches Bewusstsein zu fördern. Als SPD-Abgeordnete war Hildegard Kronawitter von 1998 bis 2008 Mitglied des Bayerischen Landtags. Sie ist Trägerin des Bayerischen Verdienstordens und des Bundesverdienstkreuzes am Bande.      
 
 
E+P: Sie stammen ursprünglich aus Niederbayern, genauer gesagt dem Bayerischen Wald. Wann sind Sie nach München gekommen, wie haben Sie die Stimmung in der Stadt in den 1960er/1970er Jahren erlebt?
 
Hildegard Kronawitter: Ich bin 1961 als 15-Jährige zur Ausbildung nach München gekommen. Mit Hilfe meiner Verwandten konnte ich hier eine kaufmännische Lehre absolvieren und mich anschließend schulisch weiterqualifizieren, um studieren zu können. 1961 nahm ich diese Stadt mit den Augen des Mädchens vom Dorf wahr, voller Interesse und Begeisterung für das, was ich alles Neues sah und erlebte. So faszinierte es mich zu beobachten, welch interessante Menschen aus anderen Ländern in der Stadt lebten. Schon zu Beginn der 60er Jahre war der Zuzug nach München enorm und dadurch der Druck auf dem Wohnungsmarkt groß. Ende der 1950er Jahre wurde bereits die Trabantenstadt Hasenbergl gebaut, als nächste folgte Fürstenried 1. Mit dem Zuzug verstärkte sich auch der gesellschaftliche Umbruch. Die Leute in meiner Generation haben zum Beispiel das Jahr 1962, nicht zuletzt wegen der „Schwabinger Krawalle“ (fünf Tage andauernde Straßenschlachten zwischen vorwiegend jungen Protestierenden und der Polizei in Schwabing, Anm. d. Red.), deutlich in Erinnerung. In der Stadt hat es gebrodelt, was 1968 mit den großen Demonstrationen noch deutlicher wurde. München war eine Stadt im Wandel.
 
 
E+P: Haben Sie spezielle Erinnerungen, die Sie mit dem Oberwiesenfeld verbinden?
 
Hildegard Kronawitter: Es war der große Glücksfall, dass man mit dem Oberwiesenfeld damals direkt vor den Toren der Stadt eine riesige Fläche zur Verfügung hatte. Es gehörte jeweils zu einem Drittel der Stadt, dem Land und dem Bund. Das hatte mit der früheren militärischen Nutzung zu tun – ursprünglich war dort ein Exerzierplatz. Bis 1939 wurde das Gelände für den Flughafen genutzt, der dann nach Riem umzog. Anschließend nutzte man die verschiedenen Gebäude u.a. für Messen, z.B. für die Bauma. Nach dem Krieg wurde der Schuttberg dort aufgetürmt; ab Anfang der fünfziger Jahre wirkte er wie ein Mahnmal im Bewusstsein der Münchner. Mit der zunehmenden Begrünung bekam er immer mehr die Funktion eines Erholungsgeländes. 
Das Oberwiesenfeld war mit Blick auf die Olympiabewerbung ideal, denn es ging ja auch um die wichtige Frage, welche Sportstätten die Bewerberstädte anbieten konnten. Hier hatte München einen besonderen Pluspunkt, denn man konnte sagen: Wir haben ein großes stadtnahes Areal, wo die gewünschten Sportstätten entstehen können.  
 
 
E+P: Ab wann wurde denn ganz gezielt auf Olympia hingewirkt?
 
Hildegard Kronawitter: Im Grunde genommen erst ab Ende 1965. Die Vorgeschichte hatte eine hochpolitische Dimension: Das IOC hatte bei seinem Treffen im Oktober 1965 entschieden, dass die DDR mit eigener Mannschaft und eigener Flagge an den Spielen teilnehmen dürfe, war somit als Staat akzeptiert. Damit hatte man sich explizit von dem bundesrepublikanischen Alleinvertretungsanspruch verabschiedet. Kompensatorisch sollte dann wohl der Bundesrepublik ein Zugeständnis gemacht werden, denn das IOC setzte Signale, dass die Olympischen Spiele nach Deutschland gehen könnten. Bereits drei Wochen nach der Sitzung in Madrid kam NOK-Präsident Willi Daume zu Münchens Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel und unterbreitete ihm – wie bekannt ist – die Idee, die Spiele nach München zu vergeben.   
Zuvor dürfte überlegt worden sein, welche Stadt in Deutschland infrage käme. Berlin schied aufgrund seines geteilten Status aus, und so geriet München beim NOK in den Fokus. Es war ein Glücksfall, dass Hans-Jochen Vogel Willi Daumes Idee aufnahm und sofort handelte. Es musste sehr schnell gehen, weil die offizielle Bewerbung bereits Ende Dezember 1965 vorliegen musste. Bis dahin hatten Stadt, Land und Bund die entscheidenden Beschlüsse zu fassen samt Klärung der Finanzierung. Ich habe die Daten herausgesucht, weil ich das sehr spannend finde: Am 2. Dezember 1965 befasste sich der Haushaltsausschuss des Bundestags mit der Materie, am 8. das Bundestagsplenum, am 14. Dezember die Bayerische Staatsregierung, am 18. Dezember das NOK und am 20. Dezember stimmte der Münchner Stadtrat zu.
 
 
E+P: Das ist schon sehr sportlich!
 
Hildegard Kronawitter: Die Entscheidungen wurden „durchgepeitscht“, denn am 30. Dezember mussten die Unterlagen dem IOC vorliegen! Das Zusammenwirken der unterschiedlichen Ebenen war geradezu sensationell! Es brauchte schon den Willen aller Beteiligten, sonst wären diese Beschlüsse nicht grundsätzlich und vor allem nicht in der Eile möglich gewesen.  
 
 
E+P: Da ist wohl auch schon die Vision entstanden, dass sich die Bundesrepublik auf internationaler Bühne als Staat darstellen konnte, der in der Welt zurück war nach der Barbarei.
 
Hildegard Kronawitter: Ich glaube, alle an diesen Beschlüssen Beteiligten haben die Chance gesehen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland als offene Demokratie präsentieren konnte, die Vielfalt akzeptiert und die Vergangenheit zwar nicht vergessen, aber hinter sich lassen möchte, und die auch kulturell interessant ist.
 
 
E+P: Das Lebensgefühl, das die Ästhetik des Designs von Otl Aicher repräsentierte…
 
Hildegard Kronawitter: Das sehe ich auch so; insgesamt haben ungefähr 700 Menschen im Olympiakomitee gearbeitet. Die Entscheidung für Aicher wurde offensichtlich bewusst getroffen. Er hatte sich schon als Designer einen Namen gemacht mit diversen Firmenlogos – seine künstlerische Handschrift war gereift. Ich kann mir vorstellen, dass es bei Aichers Bewerbung eine Rolle spielte – wenn auch nicht explizit formuliert –, dass er der spätere Schwager der 1943 hingerichteten Geschwister Scholl war und insofern für eine geschichtspolitische Haltung stand, die sich deutlich gegen den Nationalsozialismus stellte. Ich habe mich dazu mit einem Fotografen aus Aichers Team unterhalten – Karsten de Riese, der die Olympiaarbeit dokumentierte und damals mitbekommen hatte, dass es immer wieder Kontroversen um die Vorschläge Aichers gab. Daume habe ihn in diesen Situationen immer unterstützt, so die Erinnerung Karsten de Rieses. Ich glaube, dass es dem NOK wichtig war, 1972 in der gesamten Präsentation der Olympischen Spiele neue Akzente zu setzen. So konnte Aicher u.a. erreichen, dass die Polizei nicht wie üblich uniformiert und bewaffnet war. Es wurde gezielt eine zivile Atmosphäre angestrebt. In München sollte ein ziviles Fest gefeiert werden, mit Freude, mit Kunst und natürlich mit Sport!
 
 
E+P: Wie haben Sie die Vorbereitungen im unmittelbaren Vorfeld der Olympiade erlebt?
 
Hildegard Kronawitter: Das habe ich erst ab 1971, also ab der Kandidatur meines Mannes für das Oberbürgermeisteramt, stärker mitbekommen, vorher war ich eine normale Zeitungsleserin. Die Stadt wurde umgebuddelt und war voll von Menschen. Ich habe mal gehört, dass Bauarbeiter aus 49 Nationen damals tätig waren. Das Stadtgespräch ging beispielsweise um die Kosten des Zeltdaches und wer das denn finanzieren solle. Wir erwarben – wie andere – die schönen Olympiabriefmarken und -münzen und den legendären Hund „Waldi“ in den Olympiafarben.
 
 
E+P: Die Übergabe des OB-Amtes von Hans-Jochen Vogel an Ihren Mann, Georg Kronawitter, ist dann ja sehr harmonisch verlaufen…
 
Hildegard Kronawitter: Ja, das war absolut organisch. Mein Mann trat das Amt am 1. Juli 1972 an, kurz vor Beginn der Spiele – wohl wissend, dass sich dieses große Event vor allem mit Hans-Jochen Vogel verband und diesem völlig zu Recht alle Aufmerksamkeit zukam. In seiner Antrittsrede am 5. Juli vor dem Stadtrat setzte er eigene Akzente: Die Stadt brauche nach dem großen Geschehen mehr Ruhe, sie solle grüner werden und die Menschen sollten wieder stärker mitgenommen werden. Ganz schnell war damals klar, dass es einen Überbestand an Wohnungen gab – selbst einige Wohnungen im Olympiadorf waren zu dieser Zeit leicht zu bekommen. Der Bauboom im Zuge der Spiele hatte dazu geführt.
 
 
E+P: Wie fanden Sie das fertige Olympiagelände?
 
Hildegard Kronawitter: Es war überwältigend – und ist es bis heute, wenn man auf dem Schuttberg steht. Da sieht man auch, dass es ein sehr großes Gelände ist. Das Olympiadorf hat immer noch eine sehr gute Wohnqualität.
 
 
E+P: Welche Wettkämpfe haben Sie denn persönlich erlebt?
 
Hildegard Kronawitter: Als amtierender Oberbürgermeister hatte mein Mann sehr viele Besucher zu begrüßen. Dazu gehörten zahlreiche Oberbürgermeister aus anderen Städten, internationale Gruppen, z. B. Pfadfinder und viele mehr. In diesem Rahmen habe ich einige Wettkämpfe erlebt. Am eindrucksvollsten fand ich allerdings die Segelwettkämpfe in Kiel (lacht). Da wir ein kleines Kind hatten, hielten sich für mich diese Erlebnisse in Grenzen. Die Eröffnungsfeier war natürlich ein unglaublich beeindruckendes Fest – ich erinnere mich sehr gerne an die im Wind flatternden Olympiaflaggen, die einfach gute Stimmung machten und nichts Anderes assoziieren ließen. Beim Einmarsch der Sportgruppen im Stadion herrschte eine sehr ausgelassene Stimmung, mit Goaßlschnalzern und allem. Es wurde auch akzeptiert, dass hier regionale Akzente des Volkstums präsentiert wurden.
 
 
E+P: Haben Sie das zum Kampf der Systeme aufgebauschte Laufduell Stecher–Rosendahl mitbekommen?
 

Hildegard Kronawitter: Ich habe das mitbekommen, aber das Laufduell nicht so empfunden, wie Sie es jetzt beschreiben. Heidi Rosendahl wurde natürlich vom Heimpublikum angefeuert, auch Klaus Wolfermann und Ulrike Meyfahrt haben uns begeistert. Aber nicht nur deutsche Sportler waren im Gespräch, ganz München hat auch über Mark Spitz mit den sieben Goldmedaillen geredet.
Wir haben die Leichtigkeit, ja Unbeschwertheit genossen und die Münchnerinnen und Münchner waren einfach stolz, ein so tolles Fest in ihrer Stadt zu haben.

 
E+P: Und dann kam der 5. September.
 
Hildegard Kronawitter: Ja. Wir haben in der Früh immer Nachrichten gehört, anschließend fuhr mein Mann ins Büro. An diesem Tag rief er mich sehr bald vom Büro aus an und sagte, er würde nun gleich wegen des Überfalls auf die israelische Mannschaft zum Olympiagelände fahren. Dort wurden rasch verschiedene Krisen-Gremien gebildet. Es gab einen inneren Kreis, dem unter anderem der bayerische Innenminister Merk und Bundesinnenminister Genscher, Polizeipräsident Manfred Schreiber und NOK-Präsident Willi Daume angehörten. Mein Mann war in einer weiteren Gruppe, allerdings nicht in die Entscheidungsrunde einbezogen. Er bekam aber deren Diskussionen mit.

 
E+P: Wie schnell hat man das Ausmaß der Katastrophe verstanden – dass es sich nicht um einen beliebigen Überfall handelte, sondern – vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte – um den Super-Gau: ein palästinensischer Überfall auf die israelische Mannschaft?
 
Hildegard Kronawitter: Sofort. Man hörte sofort, dass es sich um palästinensische Attentäter handelt. Schnell erfuhr man auch von den ersten Morden. Man bekam alsbald mit, dass man versuche, die von den Attentätern gesetzten Deadlines hinauszuzögern. Auf Angebote, die Geiseln auszutauschen, gingen die Attentäter nicht ein – sie wollten keine Deutschen als Geiseln. Selbstverständlich gab es auch die Verbindung nach Israel. Angehörige des israelischen Geheimdiensts wirkten bei den Diskussionen mit. Am Telefon erwähnte mein Mann auch, dass es keine Ausreise der Terroristen mit den Geiseln geben würde. Die Dramatik spitzte sich bekanntlich zu. Dabei sah die Weltöffentlichkeit zu – insgesamt 500 Millionen Menschen! Das war die maximale Bühne, die die Geiselnehmer erhielten.
Mein Mann ist ebenfalls nach Fürstenfeldbruck gefahren und erlebte dort das unendlich schreckliche Drama aus nächster Nähe schockiert mit – ihm war klar und später sprach er oft darüber, wie katastrophal es gelaufen war. Er sah es als seine Aufgabe an, noch in der Nacht der Witwe des getöteten Polizisten Anton Fliegerbauer die traurige Nachricht zu überbringen. Später hielt er Kontakt mit ihr.

 
E+P: Eine schwere Aufgabe.
 
Hildegard Kronawitter: Das war es, obwohl die Verantwortung ja nicht beim ihm lag, sondern formal bei den Innenministern Merk und Genscher und anderen. Ich habe mich eine Zeit lang mit Berichten zum Attentat befasst, las z.B. die Darstellung von Hans-Dietrich Genscher in seinen Memoiren. Da kann ich mich nur über die Rechtfertigung wundern, man hätte das Unglück nicht ahnen können. Wir wissen heute, dass es zahlreiche Warnungen gab – diese sind dokumentiert.
Was aus heutiger Sicht völlig unverständlich ist, ist, dass die Spiele nicht viel früher ausgesetzt wurden, sondern erst am Nachmittag des Geschehens. Die Trauerfeier wurde am 6. vormittags im Fernsehen übertragen, und am Nachmittag gingen die Spiele schon wieder weiter, das war nicht angemessen. Die so zynisch klingende Formulierung „The Games must go on“ wurde auch in der Beratungsgruppe, der mein Mann angehörte, nicht gutgeheißen. Warum wurden die Spiele nicht früher und länger ausgesetzt? Es kam mir vor wie ein Motor, der am Laufen ist und den man nicht glaubte, stoppen zu können. Natürlich war die ganze Logistik und Organisation komplex, aber diese Entscheidung des IOC war problematisch und hinterließ einen sehr bitteren Nachgeschmack.
Es wurde damals in unserer Gesellschaft nicht gesehen, welche große Geste es von Seiten der Israelis war, an den Olympischen Spielen in München teilzunehmen. Der Beifall war groß, als die israelischen Sportlerinnen und Sportler am Eröffnungstag in das Stadion einzogen. Aber darüber hinaus hätte es – so meine Meinung – einer besonderen Würdigung bedurft. Man hielt es für zu normal und dachte zu wenig den geschichtlichen Kontext mit, obwohl ja seit 1945 erst 27 Jahre vergangen waren. Ich denke immer wieder darüber nach, warum die Sicherheitskräfte bis hinauf nach Bonn nicht im Bewusstsein hatten, dass die Gefahr von palästinensischen Anschlägen existierte – es hatte ja schon vor 1972 Beispiele gegeben, auch gerade in München. 1970 versuchte ein palästinensisches Terrorkommando, am Flughafen Riem ein israelisches Flugzeug zu entführen, wobei ein junger Israeli starb und weitere Personen schwer verletzt wurden. Es gab den Anschlag auf das jüdische Altenheim. Trotzdem war kein spezielles Sicherheitskonzept für die israelische Mannschaft entwickelt worden. Dass die politische Sensibilität hier gefehlt hat, sehe ich als historisches Versäumnis.
 
 
E+P: Häufig wird beklagt, dass das Olympiaattentat sehr lange im öffentlichen Gedenken keine Rolle spielte.
 
Hildegard Kronawitter: Das mag aus heutiger Sicht berechtigt sein. Mein Mann hat 1985 nach seiner zweiten Wahl die von der Stadt München finanzierte Jugendbegegnungsstätte, das „Münchner Haus“, in Tel Aviv eröffnet. Es war eine gewisse Versöhnungsgeste der Stadt. Er hielt auch mit dem Oberbürgermeister von Tel Aviv Kontakt. Ab den 1980er Jahren gab es eine Reihe von Trauerakten, z.B. 1988 im Alten Rathaussaal zum 50. Gedenken an die Reichspogromnacht. Das offizielle Erinnern hat schrittweise stattgefunden, auch in Bezug auf das Attentat: die Gedenkplatte in der Connollystraße, das Denkmal des Bildhauers Fritz König im Olympiapark, und dann der sehr eindrucksvolle und informative Gedenkort 2017. Über die Jahrzehnte hielten DGB und Bayerischer Jugendring enge Verbindungen mit den israelischen Partnern, so mit den Gewerkschaften und der israelischen Arbeiterpartei.
Ja, es hätte früher und mehr geschehen können, aber es ist etwas geschehen.

 
E+P: Heute ist das Olympiagelände ein prominenter Ort in München – es gibt Bestrebungen, dieses Areal als Ort der Demokratie zu entwickeln. Was halten Sie davon?
 
Hildegard Kronawitter: Es ist ein Ort mit einer langen Geschichte – vom Oberwiesenfeld als freier Fläche, als Anbaugebiet, als Exerzierplatz, als Flugfeld bis hin zum Schuttberg, der sehr früh und sehr stark das Bewusstsein in München geprägt hat. Dass das Olympiagelände als spezieller Ort der Demokratie anerkannt werden soll, befürworte ich verhalten. Wir haben bedeutende Orte der Demokratie, die uns die Entwicklung zur Demokratie sofort ins Bewusstsein bringen, wie Herrenchiemsee, die Prannerstraße oder die Aula der LMU, wo 1946 die Verfassunggebende Versammlung tagte. Sehr wichtig finde ich, dass das Olympiagelände Weltkulturerbe wird. Das wäre sehr aussagekräftig.
 
Interview: Monika Franz

 
 

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