Themen und Akteure – von Sabine Kurtenacker
Dr. Sabine Kurtenacker befasste sich in Ihrer Promotion mit dem Verfassungskonvent.Eine der komplexesten Fragen, die man auf der Herreninsel im Chiemsee zu beantworten suchte, war sicher die nach der Quelle der Staatsgewalt. Ausgangspunkt der Diskussion waren die divergierenden Ansichten zu der Frage, ob das Deutsche Reich infolge der Kapitulation am Ende des Zweiten Weltkriegs und der Übernahme der Geschäfte durch die Militärregierungen untergegangen sei oder nicht. Eng damit zusammen hing auch die Frage nach der zukünftigen staatsrechtlichen Form Deutschlands.
Während Carlo Schmid, Hermann Brill sowie die Mehrheit der übrigen Konventsteilnehmer lediglich eine Neuorganisation der alten Strukturen für notwendig hielten, erklärten die bayerischen Vertreter das Deutsche Reich auf der Grundlage ihrer Landesverfassung für untergegangen. Dementsprechend verwahrte sich Schmid bereits am ersten Tag auf Herrenchiemsee in einer Besprechung mit Hermann Brill gegen den Standpunkt, „dass die neue Staatsgewalt von den Ländern abgeleitet werden soll, weil diese souverän seien.“1 Genauso wie Deutschland im Kern weiterbestehe, verhalte es sich auch mit der Volkssouveränität, so Schmid; lediglich „ihre Ausübung, die Möglichkeit, sie geltend zu machen“, sei eingeschränkt. Zwar erlange man diese Souveränität stückweise wieder, es reiche aber mitnichten aus, um einen „Staat zu konstituieren, aber es reicht durchaus […,] um ein Gebilde zu schaffen, das zum mindesten nach innen alles tun kann, was normalerweise ein Staat tut.“2
Von Hermann Brill erhielt Schmid, was die These vom Fortbestand des Deutschen Reichs betraf, nahezu uneingeschränkte Unterstützung.3 Untergegangen sei nicht das Deutsche Reich, sondern „die Diktaturgewalt im Deutschen Reich; das Reich als Gebietskörperschaft, als juristische Person des öffentlichen Rechts aber besteht weiter.“4
Während Carlo Schmid, Hermann Brill sowie die Mehrheit der übrigen Konventsteilnehmer lediglich eine Neuorganisation der alten Strukturen für notwendig hielten, erklärten die bayerischen Vertreter das Deutsche Reich auf der Grundlage ihrer Landesverfassung für untergegangen. Dementsprechend verwahrte sich Schmid bereits am ersten Tag auf Herrenchiemsee in einer Besprechung mit Hermann Brill gegen den Standpunkt, „dass die neue Staatsgewalt von den Ländern abgeleitet werden soll, weil diese souverän seien.“1 Genauso wie Deutschland im Kern weiterbestehe, verhalte es sich auch mit der Volkssouveränität, so Schmid; lediglich „ihre Ausübung, die Möglichkeit, sie geltend zu machen“, sei eingeschränkt. Zwar erlange man diese Souveränität stückweise wieder, es reiche aber mitnichten aus, um einen „Staat zu konstituieren, aber es reicht durchaus […,] um ein Gebilde zu schaffen, das zum mindesten nach innen alles tun kann, was normalerweise ein Staat tut.“2
Von Hermann Brill erhielt Schmid, was die These vom Fortbestand des Deutschen Reichs betraf, nahezu uneingeschränkte Unterstützung.3 Untergegangen sei nicht das Deutsche Reich, sondern „die Diktaturgewalt im Deutschen Reich; das Reich als Gebietskörperschaft, als juristische Person des öffentlichen Rechts aber besteht weiter.“4
Eine gänzlich andere Ansicht vertrat in dieser Hinsicht der bayerische Staatssekretär Anton Pfeiffer. Bereits ein Jahr vor der Zusammenkunft auf Herrenchiemsee hatte er angesichts der Separatismusvorwürfe gegen Bayern kundgetan: „Das Wort ‚Separatismus‘ kommt von dem Verbum separare = trennen. Wenn etwas abgetrennt werden soll, ist das Vorhandensein eines Ganzen Voraussetzung. Das großdeutsche Reich Hitlers ist aber am 8. Mai 1945 untergegangen.“5 Pfeiffer argumentierte weiter, es sei in den Frankfurter Dokumenten nicht davon die Rede, „dass der deutsche Gesamtstaat noch besteht“, man habe lediglich den Auftrag, „eine neue Verfassung“ föderalistischen und demokratischen Typs zu schaffen, da diese „am besten geeignet“ sei, „die gegenwärtige zerrissene deutsche Einheit wieder herzustellen“. Dagegen sei man nicht dazu beauftragt, „den deutschen Gesamtstaat wiederherzustellen.“6
Berücksichtigt man die unterschiedlichen Auslegungen allein dieser drei Konventsteilnehmer, verwundert es nicht, dass man zwar mehrheitlich zu der Auffassung gelangte, dass „Deutschland als staatliches Gebilde und Rechtssubjekt nicht untergegangen, sondern lediglich desorganisiert und seiner Geschäftsfähigkeit beraubt worden sei“, eine Minderheit jedoch nach wie vor den Standpunkt vertrat, „dass Deutschland aufgrund der 1945 erfolgten Debellation [Vernichtung eines Staates durch eine totale Niederlage in einem Krieg, Anm. d. Red.] aufgehört habe, als staatliche Wirklichkeit zu bestehen […] und dass es also nicht nur neu organisiert, sondern neu konstituiert werden müsse.“7 Beide Ansichten fanden Eingang in den Bericht über den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee.8
Berücksichtigt man die unterschiedlichen Auslegungen allein dieser drei Konventsteilnehmer, verwundert es nicht, dass man zwar mehrheitlich zu der Auffassung gelangte, dass „Deutschland als staatliches Gebilde und Rechtssubjekt nicht untergegangen, sondern lediglich desorganisiert und seiner Geschäftsfähigkeit beraubt worden sei“, eine Minderheit jedoch nach wie vor den Standpunkt vertrat, „dass Deutschland aufgrund der 1945 erfolgten Debellation [Vernichtung eines Staates durch eine totale Niederlage in einem Krieg, Anm. d. Red.] aufgehört habe, als staatliche Wirklichkeit zu bestehen […] und dass es also nicht nur neu organisiert, sondern neu konstituiert werden müsse.“7 Beide Ansichten fanden Eingang in den Bericht über den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee.8
1 Rüdiger Griepenburg: Hermann Louis Brill: Herrenchiemseer Tagebuch 1948, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 34 (1986), S. 601. 2 Der Parlamentarische Rat (wie Anm. 4), Dok. Nr. 3, Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee. Plenarsitzungen. Zweiter Sitzungstag: Mittwoch, 11. August 1948, S. 103 f. Vgl. auch Protokolle der Sitzungen des Unterausschusses I. 1. Sitzung. Dienstag, 17. August 1948, 15 Uhr, in: BayHStA, NL Pfeiffer 165, S. 6. 3 Vgl. Griepenburg (wie Anm. 8), S. 601. 4 Der Parlamentarische Rat (wie Anm. 4), Dok. Nr. 3, Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee. Plenarsitzungen. Zweiter Sitzungstag: Mittwoch, 11. August 1948, S. 77. Ebenso argumentierte Hermann Brill auch in den Beratungen des Unterausschusses I. Vgl. Protokolle der Sitzungen des Unterausschusses I. 1. Sitzung. Dienstag, 17. August 1948, 15 Uhr, in: BayHStA, NL Pfeiffer 165, S. 30. 5 o. A. [Anton Pfeiffer]: Der bayerische Separatismus, o. D. [Ende 1946/ Anfang 1947], in: BayHStA, NL Pfeiffer 51, S. 2 und 4. 6 Herrenchiemsee. Plenarsitzungen. Zweiter Sitzungstag: Mittwoch, 11. August 1948, S. 95. 7 Der Parlamentarische Rat (wie Anm. 4), Dok. Nr. 6, Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee. Bericht des Unterausschusses I, S. 192 und 195. 8 Vgl. Der Parlamentarische Rat (wie Anm. 4), Dok. Nr. 14. Verfassungsausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz der westlichen Besatzungszonen. Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, S. 509-511.